Donnerstag, 22. Januar 2009

austria in un council

Ein Sitz am Tisch der Mächtigen
09.01.2009 | 18:50 | Von unserem Korrespondenten THOMAS VIEREGGE (Die Presse)
UN-Sicherheitsrat. Österreich sieht sich als Bindeglied zwischen UNO und der EU. Außenminister Spindelegger will sich nicht wichtig machen, aber auch nicht Stimmvieh sein.NEW YORK. Die riesige Satellitenschüssel vor dem UN-Hauptquartier am East River in New York ist nach Osten ausgerichtet. Und es sind wieder einmal keine guten Nachrichten, die das institutionalisierte Weltgewissen am Stammsitz der Vereinten Nationen aus dem Nahen Osten empfängt.Während im Sicherheitsrat die 15 Mitgliedsländer im völkerrechtlichen Dickicht um Worte ringen, schafft der Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen blutige Tatsachen. Die Diplomaten hecheln den Ereignissen hinterher und versuchen mit gedrechselten Erklärungen Druck auf die Konfliktparteien auszuüben, der diese jedoch ziemlich ungerührt lässt. Israel hat der Resolution, auf die sich der Sicherheitsrat in der Nacht auf Freitag nach diffizilen Verhandlungen verständigt hat, eine brüske Abfuhr erteilt.Die Resolution 1860 drängt auf eine Waffenruhe, auf einen Rückzug der israelischen Armee und auf einen ungehinderten Zugang zu humanitärer Hilfe; ferner verurteilt sie Gewalt und Terrorismus „in jeder Form“. Aufgrund der Notwendigkeit zum Konsens in dem divergierenden 15-köpfigen Gremium ist der Text sehr allgemein gehalten. Nur die USA haben sich als Schutzpatron Israels der Stimme enthalten. Wären die Mitglieder indes ohne Beschluss auseinandergegangen, wäre wieder einmal die Rede von einer Blamage der UNO gewesen und es wäre der Ruf nach einer Reform des Sicherheitrsrats erschallt.„Nicht wichtig machen“Seit Jahresbeginn sitzt auch Österreich mit am Tisch der Mächtigen, einer Zweiklassengesellschaft von fünf ständigen und zehn für einen Zwei-Jahre-Turnus gewählten Mitgliedern. Im 20-Jahre-Rhythmus wird es in den exklusiven Klub aufgenommen. „Wir wollen uns nicht wichtig machen, wir sind aber auch kein Stimmvieh“, umschreibt Verena Nowotny, Presseattaché an der New Yorker UN-Mission, nüchtern die Ausgangslage. „Wenn Österreich im November 2009 den Vorsitz übernimmt, ist der Spielraum für eine Mitgestaltung größer. Da können wir auch eigene Akzente setzen.“Momentan haben andere das Sagen. Als der französische Außenminister Bernard Kouchner samt Entourage ohne Stellungnahme Richtung Flughafen entschwindet, geht ein Raunen durch die Lobby. Das Vorsitzland Frankreich hat die Dringlichkeitssitzung einberufen. Danach tritt USAußenministerin Condoleezza Rice vors Mikrofon und sondert vor dem Hintergrund der aufgepflanzten Flaggenparade der 15 Sicherheitsratsnationen und einem Gobelin nach dem Motiv von Picassos Antikriegsgemälde Guernica ein wenig zu routinemäßig ihre Betroffenheit über die humanitäre Lage in Gaza ab.Während die Amtszeit von Rice in den letzten Zügen liegt, ist Michael Spindelegger, erst seit wenigen Wochen im Amt, noch ein unbeschriebenes Blatt im Konzert der Großen. Und er erlebt seine Feuertaufe gleich im Minenfeld des Nahen Ostens. Am Rande trifft er Kollegen wie den Briten David Miliband und hält telefonisch Kontakt zur israelischen Ministerin Tzipi Livni und seinem tschechischem Widerpart Karl Schwarzenberg, der als aktueller EU-Vorsitzführer zwar eine Schlüsselrolle spielt, aber von der Tagung des Sicherheitsrats ausgeschlossen bleibt. Österreich sieht sich denn auch als Bindeglied zwischen der UNO und der EU. Überhaupt seien die informellen Kontakte in den Couloirs von unschätzbarer Bedeutung, heißt es. Die Expertise auf dem Balkan und in der arabischen Welt komme Wien zugute.EU-Vorsitz als Trockentraining Ein wenig hochgestochen hat sich Spindelegger zur Aufgabe gesetzt, den UN-Standort Österreich als „Drehscheibe des Friedens“ und als „Plattform für den Dialog“ zu etablieren. Die österreichische Diplomatie fühlt sich gut vorbereitet. Der Anlauf für ein Mandat im UN-Sicherheitsrat habe bereits unter der Ägide Wolfgang Schüssels begonnen, erläutert Nowotny. „Und die EU-Präsidentschaft 2006 war quasi ein Trockentraining.“Im Rahmen der zweijährigen Amtsperiode will Österreich die Chance nutzen, sich verstärkt den „Zukunftsthemen“ zuzuwenden wie Migration oder dem Klimawandel. Während in New York UN-Botschafter Thomas Mayr-Harting die Stellung hält, verabschiedet sich ein Delegationsmitglied aufgekratzt: „In einem Monat kommen wir wieder.“

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